Altersarmut: So kommen Frauen aus der Rentenfalle

Veröffentlicht am 16.08.2016 in Allgemein


Frauen beziehen bis zu 60 Prozent weniger Rente als Männer. Obwohl sie mehr leisten – in der Sorge- und Pflegearbeit. Doch in der Rentenversicherung gilt der „Standardrentner“ mit 45 Beitragsjahren und Durchschnittsverdienst als Maß der Dinge. Ist das noch zeitgemäß?

Frauen sind nach wie vor benachteiligt. Im Erwerbsleben, wo sie immer noch nicht die gleichen Erwerbs- und Karrierechancen haben wie gleich qualifizierte Männer, zeigt dies der „gender pay gap“, die Lohnlücke, die derzeit rund 22 Prozent beträgt. In der Nacherwerbsphase ist es der „gender pension gap“, der die Ungleichheit während der Rente dokumentiert. Er besagt, dass in Deutschland Frauen um rund 60 Prozent geringere eigene Alterssicherungseinkommen als Männer beziehen.

Rente als Spiegel des Erwerbslebens

Warum ist das so? Die Rente ist Spiegelbild des Erwerbslebens. Die individuelle Höhe der Altersrente hängt von der Höhe und Dauer der eingezahlten Rentenversicherungsbeiträge im Erwerbsleben ab: Ein Beispiel: Wer den gesetzlichen Mindestlohn von derzeit noch 8,50 Euro in einem Vollzeitjob erhält, erwirbt nach einem Jahr Beitragszahlung eine Rentenanwartschaft von rund 0,5 Entgeltpunkten (EP), die nach heutigen Werten zu einer Monatsrente (brutto) von etwa 15 Euro führt. Dreißig Jahre nur mit Mindestlohn bringen demnach eine (Brutto)Rente von rund 450 Euro. So führen sozial ungenügend abgesicherte Jobs, (unfreiwillige) Teilzeit und ein geringes Entgelt zu geringeren Alterseinkommen in der gesetzlichen Rentenversicherung (GRV). Bei Frauen treffen diese Aspekte oftmals zusammen. Der Mindestlohn hilft, löst aber nicht das Problem. Hinzu kommt – insbesondere bei Frauen in den alten Bundesländern – eine deutlich kürzere Versicherungsdauer. Dies führt zu durchschnittlich niedrigeren Alterseinkünften als bei Männern, was der gender pension gap belegt.

Der (männliche) Standardrentner als Maß der Dinge

Zwischenzeitlich sind aber mehr Frauen im Erwerbsleben als noch in der Generation ihrer Mütter. Höhere Erwerbsbeteiligung und Qualifizierung wirken sich jedoch (noch) nicht wesentlich auf ihr Alterseinkommen aus. Hinzu kommt die immer noch ungenügende rentenrechtliche Anerkennung von Sorgearbeit z. B. in der Pflege von Angehörigen. Frauen arbeiten mehr, ohne dafür im Alter eine höhere Rente zu erhalten. Liegt die Ursache also in der noch ungenügenden Erwerbsbeteiligung von Frauen? Kann es genügen, den Frauen nur zu sagen, wenn ihr mehr und besser bezahlt arbeitet, dann klappt es schon mit der Rente? Oder muss im Rentensystem umgesteuert werden?

Grundlage aller rentenrechtlichen Berechnungen ist immer noch der Standardrentner: die fiktive Erwerbsbiografie eines (männlichen) Versicherten, der 45 Jahre durchschnittlich verdiente (2016: 36.267 € jährlich) und dem Bild eines Facharbeiters vor rund einem halben Jahrhundert entspricht. Frauen müssen sich an dieser fiktiven männlichen Standardbiografie messen lassen. Aber weibliche Erwerbsbiografien sehen anders aus! Ist es nicht höchste Zeit, dass die allen Berechnungen zugrundeliegende Kunstfigur den Lebensrealitäten der Frauen (und auch immer mehr Männern) angepasst wird?

Umsteuern in der Rentenversicherung ist ein Muss

Derzeit wird die Schuldfrage hin und her geschoben: zu den Gewerkschaften, die für einen Einkommenszuwachs bei den Frauen sorgen sollen, zu den Arbeitsmarktpolitiker/innen, die bessere Arbeitsbedingungen für Frauen durchsetzen sollen, zu den Rentenpolitiker/innen, die sich für ein höheres Rentenniveau und die Verhinderung von Altersarmut einsetzen sollen.

Es ist Zeit, dieses Karussell anzuhalten und die Parameter in der Rente neu zu justieren und an den Realitäten und den Bedarfen der Menschen auszurichten. Geld dafür ist vorhanden, wenn dem Bundesfinanzminister der Griff in die Rentenkasse, wie bei der systemwidrigen Finanzierung der Mütterrente, endlich verboten wird. Andernfalls wird sich an der Lage der Frauen so schnell nichts ändern.

Judith Kerschbaumer (Vorwärts)

 

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