Wahlanalyse der AsF Schleswig-Holstein nach dem 27. September 2009 – aus frauen- und gleichstellungspolitischer Sicht

Veröffentlicht am 26.10.2009 in Arbeitsgemeinschaften

Die AsF in Schleswig Holstein hat sich mit dem Wahlausgang am 27.9. aus frauen- und gleichstellungspolitischer Sicht beschäftigt. Unter Berücksichtigung spezifischer bayerischer Verhältnisse und Zahlen ist diese Analyse jedoch auch für uns in Bayern erhellend:

Programmatisch/personell:

Sowohl zur Bundestagswahl wie auch zu der auf denselben Tag vorgezogenen Land­tagswahl ist die SPD mit starken frauen- und gleichstellungspolitischen Programm­punkten angetreten. Flächendeckender gesetzlicher Mindestlohn, Lohngleichheit und gleiche Karrierechancen für Frauen und für Männer – Quotierung von Aufsichtsrats­posten und Parität in politischen Gremien – eigenständige soziale Absicherung von Frauen und zeitgemäße Umgestaltung unseres Steuersystems – öffentliche Kinder­betreuung und Bildung für alle – wirksame Gleichstellungsarbeit, Antidiskriminierung und Schutz vor Gewalt: Auf diesen Themenfeldern war die Sozialdemokratie so sensibilisiert und „up to date“ wie selten zuvor. (Sie hätte allerdings damit in der veröffentlichten Meinung noch stärker präsent sein können.)

Nicht zu vergessen – eine wesentliche Stütze bei der Erarbeitung unserer frauen- und gleichstellungspolitischen Positionen bot uns das 2007 beschlossene Hamburger Grund­satzprogramm. An der Aussage: „Wer die menschliche Gesellschaft will, muss die männliche überwinden“ kommt kein/e SozialdemokratIn (mehr) vorbei !

Und im Vorfeld der Wahl machten prominente SPD-Frauen wie Manuela Schwesig deutlich, dass „Feminismus = Humanismus“ auch heute noch unverzichtbare politische Orientierung liefert.

Sowohl im „Kompetenzteam“ von Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier als auch im Zukunftsteam der schleswig-holsteinischen SPD mit Ralf Stegner an der Spitze waren Frauen mindestens im gleichen Maße wie Männer vertreten. Und Namen wie Heidemarie Wieczorek-Zeul und Brigitte Zypries einerseits, Manuela Schwesig und Andrea Nahles andererseits bürgten für die Verzahnung von Kompetenz und klarer sozialdemokratischer Ausrichtung bei älteren wie jüngeren Parteifrauen.

Dennoch ist aus Sicht der AsF zu kritisieren, dass diese Personalien ohne Berück­sich­tigung und vorheri­ge Konsul­tation unserer Arbeitsgemeinschaft – immerhin der Frauen-Ziel­grup­pen­organisation der SPD – zustande gekommen sind. Damit zusammen­hängend besaßen sie in den Medien, aber auch schon im Wahlkampfkonzept der Partei, nicht die Aufmerksamkeit, die es ihnen ermöglicht hätte, einen eigenstän­di­gen Akzent etwa gegen eine Angela Merkel oder eine Ursula von der Leyen bei der CDU zu setzen. Dies führt uns weiter zum nächsten Punkt:

WählerInnenverhalten:

Bei der Bundestagswahl wie bei der schleswig-holsteinischen Landtagwahl verlor die SPD in allen Alters- und Bevölkerungsgruppen – am deutlichsten aber bei jüngeren WählerInnen und bei Frauen ! Im Vergleich zeigte sich – auf die Bundestagswahl bezo­gen – bei den Männern eine Spanne von -19% (18-24-Jährige) bis -5% (über 60-Jährige) bei einem Durchschnitts­wert von -10%; gegenüber -21% bei den jungen Frauen bis -9% bei den älteren und einem Durchschnitt von -13%.

Und während die CDU bundesweit bei männlichen Wählern durchweg leicht verlor, gewann sie bei den weiblichen zwischen 1 und 3 % hinzu ! (Noch stärker gewannen bei den Frauen aller­dings Bündnis 90/Die Grünen – während die Gewinne der Linken bei beiden Geschlech­tern identisch, die der FDP bei den Männern höher waren.)

Offenbar konnte die CDU – unabhängig von ihren Inhalten und ihrem sonstigen Aufgebot an KandidatInnen – allein wegen der Spitzen­personalie Angela Merkel einen Frauen­bonus für sich beanspruchen. Und die Grünen überzeugten die weibliche Wähler­schaft mit demonstrativer Gleichstellung bei Inhalten und Personal. (Auch wenn letzteres einer kleineren Partei, wegen der geringeren Rücksichtnahme auf Direkt­kandida­turen, zugegebenermaßen leichter fällt.)

Bei der Landtagswahl fielen die SPD-Verluste auf der Frauen- im Vergleich mit der Männerseite sogar noch krasser aus: mit durchschnittlich -16% gegenüber -11% und einer Spannbreite von -21% bis -10% gegenüber -14% bis -6% ! (Auch hier gab es wieder die höchsten Verluste bei den Jüngeren, die geringsten in der Altersgruppe der RentnerInnen.)

Prozentual doppelt so viele Frauen wie Männer hatten sich in Schleswig-Holstein bei dieser Wahl neu zu den Grünen geflüchtet; bei SSW und Linken war das Plus „Gender“-indifferent, bei der FDP geringfügig männlich geprägt.

Besonders bedenklich aus Sicht der AsF: Die auffällige Abkehr der Frauen in der Familienphase von der SPD – bis in die Altersgruppe der „jungen Großmütter“!

Dies war bei der Bundestagswahl nicht ganz so ausgeprägt gewesen.

Offenbar wurden sozialdemokratische Positionen wie: „Alle drei (KiTa-Jahre) beitrags­frei !“ oder der Einsatz für die – auch von der Mehrzahl der Eltern gewünschte – Gemein­schaftsschule nicht positiv mit dem „Juniorpartner“ der Großen Koalition iden­tifiziert; oder sie waren im Endeffekt von anderen Aspekten negativ überdeckt worden. Hierüber würde die AsF die Diskussion gerne noch intensiv führen wollen.

Ergebnis:

Infolge des Wahlausgangs zieht die SPD Schleswig-Holstein mit sechs Abgeordneten in den Bundestag, mit 25 in den Landtag ein. Im ersteren Fall sind zwei Frauen, im letz­teren neun dabei; dies entspricht einem Anteil von 33 bzw. 36%.

Da nur ein einziger Wahlkreis (Lübeck, im Bundestagswahlkampf) von einer Frau direkt für die SPD gewonnen werden konnte, sind alle weiteren weiblichen MdB und MdL auf unserer Seite über die Liste eingezogen. Von daher hat es sich umso mehr bewährt, dass diese Liste weitestgehend quotiert und überdies im Reißverschlussverfahren auf­ge­stellt worden war. Verbesserungen für die Zukunft sind dennoch erforder­lich; auch über eine Reform des Wahlgesetzes nach aktuellen europäischen Vorbildern sollte die SPD – vom Druck der „Großen Koalition“ befreit – erneut nachdenken.

Die CDU-Landesgruppe in Berlin besteht nunmehr – da die beiden einzigen Frauen in „roten“ Wahl­kreisen kandidiert hatten – auffällig aus einer reinen Männerriege; im Landtag sind unter 34 christdemokratischen Abgeordneten immerhin neun Frauen (also 26,5%) dabei. Die FDP hat 40% weibliche MdL, die Grünen und der SSW je 50% und die Linke 60%.

Damit beträgt der Frauenanteil im Kieler Parlament nahezu 37%.

Zahlenmäßig mag dies eine deutliche Steigerung gegenüber der letzten Legislatur be­deuten, die noch mit wenig mehr als 30% weiblichen Abgeordneten auskommen musste. In der Regierungsmehrheit*) reduziert sich dieser Anteil jedoch auf gerade eben 30% - also noch unter dem so genannten „CDU-Quorum“ (ein Drittel Frauen in Gremien).

*) Allein mit Hilfe von Überhangmandaten der CDU aufgrund direkt gewonnener Wahlkreise.An WählerInnenstimmen hatte Schwarz-Gelb in Schleswig-Holstein keine Mehrheit zusam­men­bekommen.

Außerdem dürfte die Verteilung der schwarz-gelben Ministerien den Prozentsatz von Frauen – und die Bedeutung von Gleichstellungsarbeit – an der Spitze der schleswig-holsteinischen Politik weiter drücken; insbesondere erscheint der Erhalt eines eigenen Frauenressorts fraglich.

Nach den Erfahrungen der letzten Legislatur sieht die schleswig-holsteinische CDU eine ihrer vornehmsten Aufgaben darin, das Land von expliziter Gleichstellungsarbeit zu „befreien“; sie wird darin in der FDP einen willigen Bündnispartner und zusätzlichen Stachel finden.

Umso wichtiger ist eine konsequente, in Frauenbelangen parteiübergreifend orga­ni­sier­te Opposition – um bewährte und unverzichtbare Instrumente wie die haupt­amt­lichen Gleichstellungsbeauftragten, die Beratungsstellen „Frau und Beruf“, die Frauen­häuser und „Notruf“-Einrichtungen, Gewaltschutzprogramme und geschlechtergerechte Jugend­arbeit zu erhalten.

„Wer die menschliche Gesellschaft will, muss die männliche überwinden.“

Die AsF Schleswig-Holstein ist weiter mit dabei !

 

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