100 Jahre Internationaler Frauentag – eine Bilanz

Veröffentlicht am 23.02.2011 in Arbeitsgemeinschaften

Die Gleichstellung von Frauen und Männern in allen gesellschaftlichen Bereichen ist seit mehr als 130 Jahren das Ziel der Sozialdemokratie. August Bebel hat in seinem berühmten Buch „Die Frau und der Sozialismus“ bereits 1879 ein Bild gezeichnet, wie er sich „Die Frau in der Zukunft“ vorstellt: „Die Frau der neuen Gesellschaft ist sozial und ökonomisch vollkommen unabhängig, sie ist keinem Schein von Herrschaft und Ausbeutung mehr unterworfen, sie steht dem Manne als Freie, Gleiche gegenüber und ist Herrin ihrer Geschicke.“

Partnerschaftliche gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern am Erwerbsleben, an der Familienarbeit und am gesellschaftlichen und kulturellen Leben war und ist das Leitbild der SPD. Hierfür die gesellschaftspolitischen Voraussetzungen zu schaffen, hat bis heute nichts an Aktualität verloren, auch wenn wir der Vision von August Bebel in vielem schon nahe gekommen sind.

100 Jahre Internationaler Frauentag – 100 Jahre Kampf für die Rechte der Frauen

Bereits am 19. März 1911 waren die zentralen Forderungen der Sozialdemokratinnen und Gewerkschafterinnen: Gleiches Wahlrecht, gleicher Lohn für gleiche Arbeit sowie Verbesserungen des Arbeits- und Gesundheitsschutzes für Frauen. Viele Fortschritte, wie z.B. das Wahlrecht, aber auch die Reform des Ehe- und Familienrechtes, die aktive Frauenförderung und vieles mehr gehen auf das Engagement von Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten in Regierungsverantwortung, aber auch auf Urteile des Bundesverfassungsgerichtes oder des Europäischen Gerichtshofes zurück. Die formale rechtliche Gleichstellung ist erreicht – die tatsächliche allerdings noch nicht.

2011 erinnern wir an den Internationalen Frauentag, der am 19. März 1911 erstmals stattfand. Die Sozialistische Frauenkonferenz in Kopenhagen hatte 1910 auf Antrag von Clara Zetkin beschlossen, einen Frauentag zu veranstalten, „der in erster Linie der Agitation für das Frauenwahlrecht dient.“ 1911 begingen Sozialdemokratinnen und Gewerkschafterinnen den Internationalen Frauentag als Kampftag für die Rechte der Frauen. Gleiches Wahlrecht, aber auch gleicher Lohn für gleiche Arbeit sowie Verbesserungen des Arbeits- und Gesundheitsschutzes für Frauen zählten zu den Forderungen der Demonstrantinnen.

Die SPD forderte seit 1891 das allgemeine und gleiche Wahlrecht bereits in ihrem Grundsatzprogramm. Sie stellte als einzige Partei immer wieder Anträge im Reichstag. Sie konnte es aber erst 1918 nach dem politischen Umsturz vom Kaiserreich zur Republik
durchsetzen.

Erstmals konnten Frauen 1919 an der Wahl zur Nationalversammlung teilnehmen und selbst gewählt werden. Die Sozialdemokratin Marie Juchacz sprach am 19. Februar 1919 als erste Frau in einem deutschen Parlament.

In der Zeit der Hitler-Diktatur wurde den Frauen das passive Wahlrecht wieder genommen, sie verloren erneut das Recht auf demokratische Teilhabe an der Gestaltung der Gesellschaft, ihr
Zugang zu den Universitäten wurde drastisch eingeschränkt, Beamtinnen wurden aus dem öffentlichen Dienst entlassen. Die nationalsozialistische Ideologie warf die Frau auf ihre Rolle als Hüterin des Hauses und Mutter zurück.
Nach dem Desaster des Zweiten Weltkrieges knüpfte die SPD da an, wo 1933 ein brutales Ende gesetzt wurde. Die Sozialdemokratin Elisabeth Selbert kämpfte als eine der vier „Mütter des Grundgesetzes“ im Parlamentarischen Rat - letztlich erfolgreich – vehement für die Gleichberechtigung der Frau ohne Wenn und Aber. Mit der formellen Gründung der Bundesrepublik Deutschland wurde 1949 das Gleichberechtigungsgebot und Diskriminierungsverbot mit Artikel 3 geltendes Recht im westlichen Teil des Nachkriegsdeutschlands festgeschrieben, dessen Teilung immer tiefere Gräben aufriss.

Auch in der DDR-Verfassung von 1949 war die Gleichberechtigung von Frauen und Männern verankert, auch hier waren Lohngleichheit und der besondere Schutz von Frauen rechtlich geregelt. Aber in der Praxis ergaben sich für die Frauen in Ost und West unterschiedliche
Lebenswirklichkeiten. In der DDR galt das Leitbild der vollerwerbstätigen Frau, Kinderbetreuungseinrichtungen gehörten zu den staatlichen Aufgaben. Die Haus- und Familienarbeit blieb jedoch an den Frauen hängen. Dennoch wirkt die hohe Erwerbsorientierung der Frauen in Ostdeutschland bis heute fort. 1972 wurde der
Schwangerschaftsabbruch in der DDR liberalisiert, Verhütungsmittel wurden kostenlos abgegeben.

Im Westen dauerte der politische Kampf um die Entkriminalisierung des
Schwangerschaftsabbruchs noch ein paar Jahre länger. Hier hatte sich nach 1949 eher wieder die traditionelle Rolle der Frau und Mutter als Hausfrau und als Zuverdienerin etabliert. Damit geriet auch der Internationale Frauentag zwischen die ideologischen Fronten. In der DDR wurde er alljährlich zum Rote-Nelken-Ritual, in der Bundesrepublik wurde er als „kommunistischer Feiertag“ vorübergehend aufgegeben. Seine Wiederbelebung kam von der internationalen Ebene mit dem Beschluss der UN, das Jahr 1975 zum „Jahr der Frau“ zu
deklarieren, in dessen Folge der Internationale Frauentag 1977 offiziell zum Tag der Vereinen Nationen für die Rechte der Frau und den Weltfrieden erklärt wurde. 1978 griff auch die Sozialistische Internationale (SI) den Gedanken wieder auf. Die Arbeitsgemeinschaft
Sozialdemokratischer Frauen (ASF) in der Bundesrepublik rief 1982 nach über einem Jahrzehnt leidenschaftlicher Debatten im Rahmen der „neuen Frauenbewegung“ erstmals wieder zum Internationalen Frauentag als politischem Aktionstag auf.

Blütezeiten der Frauen- und Gleichstellungspolitik in der Bundesrepublik ergaben sich immer dann, wenn die SPD Regierungsverantwortung trug und auch unter massivem Störfeuer der konservativen Opposition den Mut zu Paradigmenwechseln hatte. So in den 1970er Jahren, als sie das gesetzlich immer noch verankerte Leitbild der Hausfrauenehe abschaffte, das Namensrecht entrümpelte, im Scheidungsfall das Schuldprinzip durch das Zerrüttungsprinzip ersetzte und die Straffreiheit des Schwangerschaftsabbruchs erkämpfte. Die rot-grüne Bundesregierung machte sich ab 1998 erneut auf den Weg und bewirkte einen weiteren Paradigmenwechsel, der inzwischen zum Allgemeingut aller politischen Richtungen geworden ist: Ganztagsbetreuung von Kindern aller Altersstufen, ausgelöst durch ein zunächst heftig umstrittenes Ganztagsschulprogramm mit Fördermitteln des Bundes.

Die Bundesregierung hat Gleichstellungspolitik zum Grundprinzip des Regierungshandelns gemacht. Ein wesentlicher Schritt war die Einführung des Gender Mainstreaming Prinzips in die Geschäftsordnung und damit in die Praxis der Bundesregierung. Damit verpflichtete sich
die Bundesregierung, in allen Politikfeldern zu prüfen, ob und wie sie dem Ziel der Geschlechtergerechtigkeit entsprechen kann. Dieses Prinzip ergänzt die immer noch notwendigen Frauenfördermaßnahmen, es ist nicht etwa deren Ersatz, wie gern unterstellt wurde.

Weitere gleichstellungspolitische Erfolge waren z. B. das Bundesgleichstellungsgesetz, das Gewaltschutzschutzgesetz, das Teilzeit- und Befristungsgesetz und die rentenrechtliche
Anerkennung von Erziehungszeiten sowie die rechtliche Anerkennung von gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften.

In der großen Koalition wurden das von der SPD entwickelte Konzept des Elterngeldes und der Rechtsanspruch von Kindern auf Bildung und Betreuung ab dem ersten Geburtstag sowie, entsprechend den Vorgaben der Europäischen Union, das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz durchgesetzt. Nicht gelungen ist es bisher, ein Gleichstellungsgesetz für die Privatwirtschaft auf den Weg zu bringen. Die freiwillige Vereinbarung von 2001 zwischen der Bundesregierung und den Wirtschaftsverbänden hat wie
erwartet nicht zu mehr Frauen in Führungspositionen geführt. Die schwarz-gelbe Koalition hat daraus nichts gelernt und weigert sich, die notwendigen Konsequenzen zu ziehen. Damit trägt sie dazu bei, dass Deutschland in Sachen Gleichberechtigung im europäischen Vergleich immer mehr zurückfällt: die inzwischen von vielen europäischen Ländern nach dem Modell des sozialdemokratisch geprägten Norwegen übernommene Verpflichtung zur 40-Prozent-
Beteiligung von Frauen in Aufsichtsräten wurde jüngst sogar vom Sarkozy-Frankreich beschlossen.

Die Zwischenbilanz zum 100. Internationalen Frauentag: Die SPD hat in zu wenigen Regierungsjahren viel erreicht, aber die gleichstellungspolitische Agenda ist noch längst nicht erschöpft.

 

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