Eine Kanzlerin allein reicht nicht

Veröffentlicht am 09.03.2010 in Arbeitsgemeinschaften

die Bundesvorsitzende der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen (ASF).

"Eine Kanzlerin allein macht noch keinen gleichstellungspolitischen Sommer" sagt die Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen (ASF) Elke Ferner. Im Interview mit vorwärts.de beurteilt sie die bisherige Gleichstellungspolitik von Schwarz-Gelb. Ihr Fazit: Schwarz-Gelb steht für "gleichstellungspolitischen Stillstand".

Aus dem Vorwärtsinterview:

vorwärts.de:Union und FDP wollen im Gesundheitswesen die Kopfpauschale einführen. Welche Folgen hätte dies insbesondere für gesetzlich versicherte Frauen?

Die geplante Kopfpauschale von Union und FDP führt dazu, dass Menschen mit niedrigem Einkommen künftig mehr bezahlen als bisher und mehr bezahlen müssen als Menschen mit höheren Einkommen. Da das Einkommen von Frauen im Durchschnitt niedriger ist als das der Männer, werden Frauen dadurch besonders benachteiligt. Im Jahr 2011 werden voraussichtlich 11 bis 12 Milliarden fehlen, um die Ausgaben der Kassen zu decken. Umgelegt auf jedes Mitglied der gesetzlichen Krankenkasse bedeutet dies eine Mehrbelastung von ca. 20 € pro Monat. Das bedeutet, dass die ungefähr 32 Millionen GKV-Versicherte, die ein Einkommen von bis zu 2000 € im Monat haben, einen Sozialausgleich bräuchten.

Der Bundesregierung ist nach 100 Tagen im Amt von vielen Seiten ein katastrophales Zeugnis ausgestellt worden. Wie beurteilen Sie die Arbeit von Schwarz-Gelb unter gleichstellungspolitischen Gesichtspunkten?

Elke Ferner: Schwarz-Gelb und insbesondere die Bundesfrauenministerin steht für gleichstellungspolitischen Stillstand und Rückschritt. Es sind weder Initiativen auf den Weg gebracht worden noch hat Frau Schröder bei ihrer ersten gleichstellungspolitischen Rede Lösungsvorschläge gemacht, wie die Gleichstellung von Frauen und Männern in unserer Gesellschaft vorangebracht werden kann.

Im Koalitionsvertrag haben CDU/CSU und FDP sogar Maßnahmen beschlossen, die gleichstellungspolitischen Rückschritt bedeuten, wie z.B. das Betreuungsgeld, die Ausweitung der Mini-Jobs und die Ausweitung des Niedriglohnsektors. Maßnahmen, die die Gleichstellung von Frauen und Männern voranbringen würden, wie ein gesetzlicher Mindestlohn, die Durchsetzung der Entgeltgleichheit, ein Gleichstellungsgesetz für die Privatwirtschaft und eine Quotenregelung für die Besetzung von Aufsichtsräten lehnen Frau Schröder und die schwarz-gelbe Koalition ab.

CDU/CSU und FDP haben letzte Woche einen Antrag beschlossen, der deutlich macht: sie finden sich mit der Ungleichbehandlung ab und wollen die Ursachen nicht angehen.

Gibt es beim Thema Gleichstellung eigentlich eine Zusammenarbeit zwischen der ASF und Ministerin Kristina Schröder?

Nein. Es gibt keinerlei inhaltliche Gemeinsamkeiten. Die ASF und die SPD stehen für eine moderne Gleichstellungspolitik, die die Ursachen für Benachteiligungen angeht und die Gleichstellung von Frauen und Männern im Blick hat statt die Festschreibung der alten Rollenmuster.

Die SPD fordert schon seit Längerem die Einführung einer Frauenquote in Aufsichtsräten. Wie stehen die langfristigen die Chancen dafür, dass dieses Vorhaben realisiert werden kann?

Ich bin mir sicher, dass wir auch in Deutschland eine Regelung nach norwegischem Vorbild haben werden. Allerdings nicht mit einer schwarz-gelben Regierung.


Das Gewicht der Frauen innerhalb der SPD hat sich mit Andrea Nahles als Generalsekretärin und den stellvertretenden Parteivorsitzenden Hannelore Kraft und Manuela Schwesig deutlich erhöht. Welchen Einfluss hat dies auf die künftige SPD-Politik?

Es ist in den letzten Jahren - nicht erst seit der letzten Wahl des Parteivorstandes - einfacher geworden, Unterstützung für gleichstellungspolitische Themen zu bekommen.

Wichtig ist, dass nicht nur Lösungsvorschläge beschlossen werden, sondern dass alle in der Parteiführung, Männer ebenso wie Frauen, die Gleichstellung von Frauen und Männern in unserer Gesellschaft als Querschnittsthema begreifen und sowohl in ihren öffentlichen Äußerungen als auch in ihrem Handeln aufgreifen.


Bei der Bundestagswahl 2009 hat die SPD unter jungen Frauen an Stimmen verloren. Was waren die Gründe dafür und wie kann die SPD diese Wählerinnen zurückgewinnen?

Die Gründe sind mit Sicherheit vielschichtig. Klar ist aber, dass wir Vertrauen verloren haben. Gleichstellungspolitik muss in Zukunft jeden Tag auf der politischen Agenda stehen und nicht nur in Wahlkampfzeiten oder am internationalen Frauentag. Und die SPD muss die vielen engagierten und qualifizierten Frauen in ihren Reihen auch Verantwortung übertragen und sie wichtige Themen besetzen lassen.

Wichtig ist aber auch, dass die Männer in unserer Partei Gleichstellungspolitik auch zu ihrer Sache machen. Inhaltlich sind wir dafür gut aufgestellt und der Unterschied zu Union und FDP besteht darin, dass wir auch umsetzen, was wir sagen. Eine Kanzlerin macht eben noch keinen gleichstellungspolitischen Sommer - wenn die sie tragenden Fraktionen gleichstellungspolitisch in der Mitte des letzten Jahrhunderts stehen geblieben sind und weder Frau Merkel noch Frau Schröder oder Frau von der Leyen sich aktiv für eine moderne Gleichstellungspolitik einsetzen.

Wir haben kein Erkenntnis- sondern ein Umsetzungsdefizit. Die Zeit der freiwilligen Vereinbarungen ist vorbei! Jetzt brauchen wir verbindliche gesetzliche Regelungen, damit zumindest unsere Töchter und Enkelinnen ihren Lebensentwurf ohne Hürden und ohne gläserne Decken leben können.

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